Schlaraffileaks


In letzter Zeit häufen sich die Meldungen über Kannibalismus. Alleine diese Woche zwei die es in die Onlineausgabe der „Welt“ geschafft haben. Klar, die Springer Mediengruppe will uns weiß machen, dass es sich dabei um „schockierende Einzelfälle“ handelt. Jedoch sollte man auch das Jahr bedenken in dem wir uns befinden.

2012

Da soll ja angeblich die Welt untergehen. Hoffen wir mal das damit das Käseblatt gemeint ist und nicht unsere Zivilisation samt Aufenthaltsort.

Als Zombifilmfan und Paranoiker ziehe ich natürlich ganz andere Schlüsse aus den Meldungen. Das sind die ersten Anzeichen einer Zombieapokalypse!

HIV positive Frau beisst Kollegen die Lippe ab.

Die wahre Geschichte:

Zunächst stand Deloris apathisch auf einem Fleck. In den Händen ein Tablett. Morgens musste sie sich schon aus dem Bett quälen. Es ging ihr dreckig – nur deswegen nicht zur Arbeit gehen? Sie brauchte den Job. Also ging sie.

Doch nun war alles wie weggeblasen. Ersetzt durch ein einziges Gefühl. Hunger! Ein nagender Hunger. Die Welt um sie dumpf und … Halt! Da lag etwas in der Luft. Ein schmackhafter Duft.

Herbert betrat den Raum und sah dort seine dunkelhäutige Kollegin stehen. Sogleich blaffte er sie an, dass sie mal zusehen solle und nicht fürs Herumstehen bezahlt würde. Dabei bemerkte er nicht ihren trüben Blick. Er war nicht der Mann der Untergebenen in die Augen schaute. Das war Zeitverschwendung.

Der aus dem Mund triefende Speichel hingegen verdutze ihn schon. Darum fragte er dann auch mit etwas ruhigerem Ton ob alles Okay sei. Das war es natürlich nicht. In Sekundenbruchteilen ließ die Küchenfee das Tablett fallen und machte sich an das schmackhafte Häppchen was da mit ihr sprach. Leider kam dieses ins Straucheln und fiel zu Boden, woraufhin die untote Küchenhilfe mal einen Bissen probierte.

Eine Zeugin verständigte die Polizei. Als diese eintraf waren Deloris und Herbert mit ganz anderen Dingen beschäftigt. Zum Beispiel dumm durch den Raum wandern. Sie hatten beide noch marginales wissen. Etwa hätten sie noch ihre Unterschriften geben können wenn die Feinmotorik nicht dahin gewesen wäre. Automatismen beherrschten sie also noch. So probierten sie die Türen aus um herauszukommen. Denn hinter diesen vernahmen sie die Lebenszeichen potenzieller Mahlzeiten. Doch das Klinkenputzen brachte keinen Erfolg. Die Zeugin hatte alle Ausgänge verbarrikadiert. Was folgte war weniger schön für die zwei:

Beide wurden nach dem Eintreffen einer „Sondereinheit“ noch an Ort und Stelle durch Kopfschüsse hingerichtet um eine Epidemie zu verhindern.

Zu guter Letzt wurde ein Pseudoprozess nach bester Verschwörungsmentalität – natürlich mit Schauspielern – abgehalten um die Öffentlichkeit einzulullen. Was funktionierte. Springer sei dank.

Nackter Kannibale isst Gesicht seines Opfers.

Aha. „Nackter Kannibale“. Auch hier hat es ein Zombieangriff in die „Welt“ geschafft.

Doch rollen wir auch diesen Fall auf und sehen ihn uns genauer an. Kokainrausch? Gut möglich. Auf Drogen macht man so manchen Schmarren. Aber glauben wir das wirklich? Natürlich nicht.

Der letzte Tag. Eine Rekonstruktion:

Gordon Shumway kommt gerade von einer Geschäftsreise. Er fühlt sich schon seit dem Abflug in München nicht besonders gut. Und darum freut er sich umso mehr auf seinen Lebensgefährten Alex. Seine süßen Augen und zarten Lippen würden ihn nach dem anstrengenden Meeting wieder auf die Beine helfen. Und so war es auch. Sein Freund Alex kümmerte sich die ganze Nacht sehr „aufopferungsvoll“ um Gordon. Nach dem Liebesspiel schliefen beide nackt ein. Nur einer wachte auf. Und zwar Alex. Bei Gordon davon zu sprechen das er aufwachte wäre – hmm – nicht ganz korrekt. Man müsste eher sagen er „erwachte“.

Als Gordon eben jenes tat sah er Alex geradewegs an. Und seine Gefühle waren fast wie vor seiner Wandlung. Die süßen Augen und zarten Lippen seines Freundes weckten wieder Begierde in ihm. Unstillbare Begierde. Gordon – jetzt untot – viel in einer an Wahnsinn grenzender Gier über Alex her, welcher ihn zunächst abwehrte.

Alex sprang auf und rannte – nackt wie er war – durch die geöffnete Verandatür. Gordon ihm auf den Fersen. Nach einigen Metern trat Alex in eine Scherbe. Das machte ihn langsam. Und chancenlos. Wie durch ein Wunder überstand er 100 weitere Meter bis Gordon seine Zähne tief in sein Gesicht stieß. Die Lippen und die Augen waren das beste. Er genoss Alex und spürte gar nicht die Projektile die in seinen Körper eindrangen. Und erst der letzte Schuss, direkt in seinen Kopf, beendete sein treiben.

Zja. Alex hatte es nicht so leicht. Sein Gesicht verloren. Genau wie sein Augenlicht. Doch sein Leid sollte nicht lange dauern. Kurz nachdem er seinen letzten Atemzug tat gebar der Erreger in seinem Blut neues Leben welches einen ebenso starken drang nach menschlicher Nähe verursachte wie bei Gordon. Nur hatte Alex ein Problem. Sein neues Leben würde er als Versuchszombie in einer streng geheimen Forschungseinrichtung in den Bergen Kaliforniens verbringen. Was die Presse meldete variierte natürlich nur geringfügig.

Und das am frühen Morgen


DING DONG. Hmm? Ich brauche erst mal einen Moment bis ich begreife, dass es an meiner Tür geläutet hat. Geh ich an die Tür? Ich bin noch in Boxershorts und T-Shirt unterwegs. An meinen Füßen dicke Kuschelwollsocken die mir meine Arbeitskollegin gestrickt hat. Die sind echt toll. Giftgrün und Feuerrot geringelt. Beide Socken unterscheiden sich außerdem in der dicke der Ringelung (sagt man das so?). Genug der Socken. Es ist Sonntagmorgen. Circa 10 Uhr. Wer um alles in der Welt würde denn um diese Zeit bei mir Klingeln? Es gibt nur einen Weg das herauszufinden.

Voller Neugier und Tatendrang begebe ich mich zur Tür. Was im Klartext folgendes bedeutet: Langsam stelle ich den Becher Kaffee auf den Schreibtisch und stoße den Stuhl ein Stück nach hinten um ihn drehen zu können. Nach einer Gedenksekunde stehe ich auf und schluffe langsam zur Tür. Zum Glück habe ich einen Kommunikator und muss die Tür nicht öffnen.

Besucher: „Hallo, hier ist ihr Nachbar. Sie haben das Seitenfenster von ihrem Auto offengelassen. Und ihr ganzes Zeug liegt noch drin.“
Ich: „Oh. Ähm danke. Das ist ja gut.“
B: “Gut?“
Ich: „Das mein Zeug noch drin ist. Und das sie Bescheid sagen.“
B (stutzt): „Bevor ich es vergesse. Es regnet außerdem rein.“
Ich: „Das tut es immer. Aber sie haben schon recht. Mit nem offenen Fenster sollte man nicht an der Straße parken. Vielen Dank. Ich kümmre mich darum.“

Was für ein Stress. Ich war gestern Nacht noch unterwegs. Damit der Motor nicht überhitzt mache ich im Stadtverkehr immer die Heizung an. Und das Fenster auf. Also hat das Auto logischerweise die ganze Nacht offen dagestanden. Ob das Stativ noch da ist welches mir ein Kumpel geliehen hat? Nun werde ich doch munter und sehe zu das ich in die Pötte komme. Wäre scheiße wenn das verschütt wäre.

Nachdem ich mir notdürftig Hose und Sakko überwarf und die tollen Socken gegen Hausschlappen eingetauscht habe trete ich in den Regen. Nach wenigen Sekunden bin ich auch schon nass.

Ich renne nach rechts. Ich glaube das ich das Auto dort gestern abgestellt hatte. Am Ende der Straße beliebe ich verdutzt stehen. Es ist weg! Ach du scheiße. Hat das am ende jemand geklaut? Ruhig, ruhig! Denk nach, McFly. Denk nach. Bestimmt steht es vor der Apotheke. Wieder zurück gerannt. Am Haus vorbei. Bis an das andere Ende der Straße. Dann abgebogen. Kein Auto da. Mensch Pavel. WO BIST DU?

Vor der Feuerwache? Nee. Da stehe ich am Wochenende fast nie, weil man da so weit laufen muss. Egal. Gucken gehen. Inzwischen klatschnass und reichlich genervt renne ich wieder die Straße entlang. Biege ab. Und sehe folgendes: kein verbeultes jämmerliches Auto mit offener Scheibe. Mitlerweile bin ich dann doch etwas beunruhigt.

Wo könnte er denn dann stehen? Langsam gehe ich zur Wohnung zurück und grüble. Was habe ich gestern gemacht? Ich habe hinter einem silbernen Corolla eingeparkt. So dicht, das ich mich beim Vorbeiquetschen zwischen den Autos am Schweinehaken des Corollas gestoßen habe und jetzt nen blauen Fleck am Schienbein habe. Doch wo war das? Aber klar doch!

Jetzt weiß ich auch wieder warum mein erster Impuls war nach rechts zu rennen. Ich habe vor dem Bäcker und nicht vor dem Makler, wie sonst, geparkt. Das ist auf der anderen Seite der Kreuzung. Da hab ich natürlich nicht hingesehen. Zack, zack. Beine in die Hand.

Und da steht er. Der Pavel. Dieser bemitleidenswerte Wagen. Das Beifahrerfenster komplett herunter gedreht. Ich gucke rein. Ein Zentimeter Wasser dürfte da wohl an der Tiefsten Stelle drin stehen. Aber das beste: Stativ und dem ersten Blick nach zu urteilen der ganze Rest ist noch da. Juche, jucha, jucheisasa.

Jetzt sitze ich hier und überlege ob ich den Knopf heruntergedrückt habe nachdem ich das Fenster hochdrehte. Geh ich nochmal raus?

Ich lese


Da liest man viel. Den ganzen Tag an sich. Man liest auf der Arbeit. Zunächst die Neuigkeiten in meinem Postfach. Ganz analog. Als erstes ne Nachricht von Chef. „Hallo. Du musst heut Mittag in die Villa fahren und dort aushelfen.“

Hmhm. Muss ich das? Und wer zahlt den Sprit? Die Stadt? Wohl nicht. Aber Dienstanweisung ist Dienstanweisung. Also nehme ich es hin.

Nächster Brief. Mit krakeliger Kinderschrift, einige Buchstaben spiegelverkehrt, steht dort mein Name und der Name des Kindes. Dazu ein verbeultes, von Kinderhand gemaltes Auto. Es erinnert mit viel Fantasie an Pavel. In dem Auto sitzt ein Strichmännchen mit Hut und einem dicken Grinsen. Die Künstlerin hat auch ein paar Noten neben das Fahrerfenster gemalt. Ziemlich eindeutig die Szene. Ich freue mich. Weil das Kind sich so viel mühe gemacht hat und explizit ein an mich gerichtetes Kunstwerk geschaffen hat. Aber noch viel mehr bin ich von Stolz erfüllt. Zugegeben. Ich bin es auch aus Eitelkeit. Es ist schön zu sehen, das man den Kindern Freude macht und ihren Alltag bereichert. Sonst würden sich die Kinder nicht solche Mühe machen. Dafür quält man sich ja morgens aus dem Bett. Aber ich bin auch stolz auf die Urheberin. Denn meinen Namen konnte sie bis dato noch nicht schreiben. Und die künstlerische Fähigkeit ist mehr als altersentsprechend entwickelt. Außerdem sieht man, dass mit viel mehr Gewissenhaftigkeit vorgegangen wurde als sonst üblich. Fein, fein.

Nächster Brief. Wieder vom Chef. „Hallo. Musst doch nicht zur Villa. Gruß, dein Chef.“

Brief eins und drei werfe ich in den Müll. Den Tag über begleiten mich noch zahlreiche Post-It’s, Bilderbücher und Entwicklungsberichte. Außerdem eine Einkaufsliste und anderer Kram.

Man kommt nach hause. PC an. Kaffeemaschine an. Anlage an. Musik an. Browser an. Fusselforum an. Facebook an. SZ an. Thunderbird an. Zigarette an.

Woar. Die einzigen die mich nicht mit Infos zuballern sind meine Freunde Kaffeemaschine und Kippe. Also Musik wieder aus. E-Mails wieder aus. Achja. E-Mail. Da gab es doch noch richtige Post. Im Briefkasten. Ganz analog und so. Aber ich habe angst vor meinen Briefkasten. Neulich wurde ich von einem Kind gefragt wovor ich angst habe. Da antwortete ich ohne zögern „Vor meinem Briefkasten.“

Meistens ist da eh nur Spam drin. Ganz analog. Aber dazwischen drängeln sich auch fiese Rechnungen. Dabei müsste ich keine Angst haben. Aber wer will sich schon mit schlechten Nachrichten belasten? Ich nicht. Also bleibt der Kasten wie er ist. Voll.

Achjaa. Und dann kommt das Infos filtern. Was ist wichtig? Was nicht? Tendenziell lese ich erst das wichtigste – oder das was ich dafür halte. Dann liest man dieses und jenes. Und andauernd denkt man, dass man dazu auch noch etwas beitragen könnte. Also trägt man immer weiter zur Datenvermüllung bei. Wir Menschen sind halt ein soziales Völkchen. Und zum sozialen Leben gehört Kommunikation. Ameisen machen das über Hormone und son Kram. Bin ja kein Biologe. Aber so ähnlich war das glaube ich. Wir Menschen machen das über Pheromone, Hormone, Mimik, Gestik, das gesprochene Wort und das geschriebene Wort. Und dann gibt es ja auch noch die Möglichkeit der Kunst und all ihren Spielarten. Oder Codes. Und so weiter. Wir sind halt ein soziales Völkchen, wir Menschen. Und so kompliziert.

Und dann liest man. Und dann denkt man wieder das man dazu etwas beitragen könnte. Allzu oft kann man nichts beitragen. Man kann nur als anonymer Nickname einen Kommentar abgeben und bildet sich ein damit etwas bewirkt zu haben. Aufmerksamkeit geschunden? Provoziert? Unterhalten?

Kann egal sein. Und dann kommen an manchen Tagen Blockaden. Was macht es aus das ich jetzt was schreibe? Bringt mir eh wenig. Und vor allem trägt es zu alldem rein gar nichts bei. Außer zu noch mehr vom bereits erwähnten Datenmüll. Und was macht man? Man schreibt. Man schreibt trotzdem. Nur damit ein anderer nach hause kommt. PC an, Kaffeemaschine an. Den ganzen anderen Müll an.

Ich gehe jetzt ins Bett. Freue mich auf die Arbeit und das ich dort etwas mit Sinn mache. Dann lese ich noch etwas in meinem neuen Buch. Ganz analog. Ganz für mich. Ganz ohne Sinn.

Wie ein Kuss vom Tod


Natürlich gibt es ihn noch, den Blog. Klar habe ich ihn vernachlässigt. Aber was solls? Ich hab halt im Augenblick wenig Lust zu schreiben. Als säße da ein schwarzer Vogel auf meiner Schulter, welcher mir, frech wie er ist, jedes mal in den Hirnhaut pickt wenn ich eine Idee für einen Text habe.

*Wartet ich muss mal eben einen Kaffee kochen, bin gleich zurück.*

Ich war die letzten Wochen allerdings auch kaum unterwegs und hatte keinen Input. Klar telefoniere ich oder Chatte über soziale Netzwerke. Aber kann das ernsthaft echte soziale Kontakte ersetzen? Ich glaube nicht.

Das ich nicht unterwegs war hatte einen banalen Grund: Dauerkrank und trotzdem Arbeiten. Jetzt bin ich letzten Endes doch zuhause geblieben. Auf dringenden Rat meines Arztes. Und das ist gut so. Ich hoffe das ich dadurch in den nächsten Monaten endlich mal wieder ein Wochenende habe an dem ich nicht entweder total übermüdet oder verseucht bin.

Inzwischen habe ich auch knapp zwei Tage nicht geraucht. Will ich aufhören? Nein. Es raucht sich nur so schlecht mit verdacht auf Lungenentzündung. Jetzt knabber ich die ganze zeit an Stiften herum. Ich hab auch Nikotinkaugummis hier. Aber ich brauch nicht das verdammte Nikotin (na gut, ich brauche es), am schlimmsten sind diese verfluchten Rituale.

Aufstehen, Kaffee holen, hinsetzen, einen Schluck nehmen, Kippe an. So sieht es doch aus, verdammt. Und im Moment stelle ich fest, dass ich eine ganze Menge dieser Rituale hatte. Beispielsweise jedes mal wenn ich einen Ladebalken sehe. Dann hab ich den Impuls eine Zigarette zu nehmen. Ich greife jedoch ins leere. Zwischendurch bin ich geschockt. Manchmal lache ich mich aus. So nach dem Motto: „Ha, du Trottel. Die Schachtel ist schon drei Tage leer. Du lernst es auch nie, was?“

Ich hab mich sogar dabei erwischt wie ich den Deckel vom Ascher abgeschraubt habe. Ich hab mich dann raus geredet. Ich wolle nur gucken wie voll er ist. Und nicht nach gut erhaltenen Stummeln jagen. Schließlich habe ich dann zu mir gesagt das ich den Aschenbecher ausleeren müsse. Was ich dann auch kleinlaut gemacht habe. Man wird ja nicht gerade gerne bei moralisch verwerflichen Handlungen erwischt.

Ich schreibe absichtlich so als wäre ich ein Schizo. Der Grund: Im Moment komme ich mir so vor. Junky vs. Spießer. Was dem Spießer in mir im Moment aber sehr hilft, ist das ich krank bin. Das ist ja auch der Grund warum ich nicht rauche. Jeder Zug an einer Zigarette fühlt sich tatsächlich an wie sich Zigaretten anfühlen sollten: Wie ein Kuss vom Tod.

Ein gelungener Abend


Gelbe Buchstaben spiegeln sich auf dem nassen Asphalt des zugigen Parkplatzes. Ich ziehe mir meine Kapuze über und trotte Richtung Eingang. Man muss sich Zeit lassen. Die Zigarette will nicht so hastig geraucht werden. Mir steht mindestens eine Stunde ohne Nikotin bevor.

Langsam hebe ich meinen Blick und schaue an dem riesigen Komplex hoch. Erst Glas, dann die Leuchtreklame, dann blau lackierte Aluminiumverschalung. Ich mache mir Mut: „Jetzt bin ich hier schon hingefahren. Dann muss ich auch reingehen.“ Ich lasse den Rest meine Zichte fallen, welche zischend in einer Pfütze landet und begebe mich ins Paradies für Familienmütter und frisch gebackene Studenten. Man, fand ich den Laden mal geil.

Mir ging es mal so: Die erste eigene Wohnung. Die ersten eigenen Möbel. Als ich meine zweite Wohnung bezog hab ich sogar aufgegeben auf einer Matratze auf der Erde zu schlafen. Man Arbeitete inzwischen. Und da konnte man ich dekadente Dinge wie ein 220×90 cm großes Bett plötzlich leisten. Also tat man das auch. Ich erinnere mich genau wie ich auf den Betten in der Ausstellung herumgehüpft bin und  den Rüttel- und Schütteltest gemacht habe. Das letzte was ich wollte, war ein quietschendes Bett oder eines was schnell auseinander bricht. Oder eines, welches dauernd an die Wand schlägt. Und fündig wurde ich sogar bei einem Bett, welches zu meiner restlichen Einrichtung passte. Das war damals. Nun ist Heute.

Ich bin hier weil es mich nervt, dass die gelesenen Bücher inzwischen Türme bilden. Ich brauche neue Ablagemöglichkeiten. Und dafür ist der Laden ja bekannt. Außerdem wollte ich mir noch ein oder zwei Teppiche holen, weil meine Wohnung komplett gefliest ist.

Schlendernd und probesitzend bewege ich mich durch die Ausstellung. Ist ja alles so schön bunt hier. Das gefällt mir. Letztes oder vorletztes Jahr war auf einmal alles blau und gediegen. Das fand ich zum kotzen. Ich liebe schreiende Farben.

Inzwischen bin ich im Untergeschoss angekommen. Ich habe mir den Einkaufswagen mit zwei Langflooreppichen gefüllt. Außerdem noch schönes grünes Bettzeug und die Taschen voller Zettel. Auf den Zetteln die Abholkoordinaten für verschiedene Regale. Unter anderem ein sehr schönes Wandregal. Ganz schlicht und weiß mit Acrylglasschiebetüren und einem feuerroten Innenraum. Sehr cool und passt wie immer zum Rest. Das sollte wie aus einem Guss in meiner Bude wirken.

Langsam schiebe ich den Einkaufswagen. Mein Blick wandert auf die Auswahl im geräderten Drahtkorb. Dann bleibe ich stehen. Brauche ich den Scheiß wirklich? Nach drei Monaten bilden meine Bücher ohnehin neue Türme. Und die Teppiche? Und das Bettzeug? Letzteres war doch eh nicht eingeplant?!?! Ich setze mich auf eine Bank. Starre auf den Wagen. In mir beginnt ein Feuer zu brennen. Erst eine Flamme. Dann ein richtiges Inferno. Was zur Hölle mache ich hier? Was ich brauche besitze ich. Und was ich nicht habe –  aber brauche –  kann ich mir nicht kaufen. Gib dein Geld lieber für was sinnvolles aus. Zigaretten zum Beispiel. Oder Kuchen.

Ich stehe auf. Der Wagen bleibt stehen. Ich bewege mich auf die Kassen zu. Kurz darauf liegen sie hinter mir. Das Kühlregal. Ich greife hinein und ziehe zwei Mandeltorten heraus. Die brauchst du. Das ist Verbrauchsmaterial.  Bezahlt. Ab nach hause. Und vor der Tür liegt einer der letzten Wünsche die ich noch hatte und man mit Geld kaufen kann. Ein Päckchen gefüllt mit einer Spiegelreflexkamera. Geil. Ich gehe in die Wohnung, räume ein wenig auf und finde im Zipfel einer Gummibärchenpackung einen einsamen grünen Bären. Ausgerechnet ein grüner. Die mit Apfelgeschmack sind die besten. Freudig erregt knabbere ich das Gummitier und packe die Kamera aus. Und jetzt freue ich mich auf meinen Kuchen. Ein gelungener Abend.